© 2005, Universitätsklinikum Freiburg
 
Unerwünschte Wirkungen nach Transfusionen von Blutprodukten
 
Die Transfusionsreaktion
(genauer: Unerwünschte Wirkungen von Blutkomponenten und Plasmaderivaten)
 
Definition und Vorgehen
Bei jedem unerwünschten Ereignis nach Gabe von Blutkomponenten und Plasmaderivaten wird ein Zusammenhang mit diesen überlegt. Besteht der Verdacht einer Kausalität, werden die weitere Abklärung der Reaktion sowie die Verfahren zur Umsetzung der Meldepflichten eingeleitet.
 
Sofortmassnahmen und Vorgehen:
Generell gilt, dass bei Auftreten einer Nebenwirkung während der Transfusion diese sofort zu unterbrechen bzw. abzubrechen ist und der transfundierende Arzt zu benachrichtigen ist. Dieser entscheidet über weitere Maßnahmen.
Ergibt sich aus der klinischen Situation der Verdacht einer transfusionsassoziierten Nebenwirkung, werden folgende Schritte eingeleitet:
 
Sofortmaßnahmen am Patienten
1.         Bei noch laufender Transfusion sofortige Unterbrechung.
2.         Sofortige Information des transfundierenden Arztes⁄Dienstarztes
3.         Zugang belassen, symptomatische Therapie nach Klinik
4.         Identitätssicherung des Patienten
5.         Probenabnahme für Laboruntersuchungen
6.         Bei Fieber Entnahme einer Blutkultur und Weitergabe an die Bakteriologie
7.         Dokumentation im Transfusionsprotokoll auf dem Begleitschein
8.         Verdächtige Präparat und die Blutprobe sofort an die Transfusionsmedizin zurückschicken
zusammen mit
9.         dem ausgefüllten Begleitschein-Abschnitt "Zurück an die Transfusionsmedizin"
10.         10 ml Nativ- und 10ml EDTA-Blut des Patienten
11.         Anforderungsschein
12.         Bei schwerwiegendem Ereignis zusätzlich Meldung per Telefon an den Dienstarzt der Transfusionsmedizin Tel.: ________
13.         Ein Dokumentationsbogen "Erfassung von Transfusionsreaktionen" wird von der Transfusionsmedizin an den transfundierenden Arzt gefaxt.
(Ausdruck des Dokumentationsbogens über LINK)
14.         Korrektes Ausfüllen des Dokumentationsbogens.
15.         Ausgefüllten Bogen an Transfusionsmedizin zurückfaxen (Fax Transfusionsmedizin _________) und danach zu den Patientenakten nehmen.
16.         Meldung des Ereignisses an den Transfusionsbeauftragten der Abteilung
 
Das Ergebnis der Untersuchungen wird in einem schriftlichen Befund mitgeteilt und in der Patientenakte abgeheftet und archiviert. Der Transfusionsveranwortliche nimmt in Absprache mit dem Transfusionsbeauftragten der jeweiligen Abteilung eine abschließende Bewertung des Transfusionszwischenfalls vor.
 
Der Transfusionsverantwortliche entscheidet je nach Ursache der Reaktion über:
?         Maßnahmen zur Vermeidung von Transfusionszwischenfällen gleicher Ursache
?         Art und Umfang der Meldung an den Hersteller⁄das P.E.I.
Ätiologie, Klinik, Epidemiologie der verschiedenen transfusionsassoziierten Nebenwirkungen
Sofort-Reaktion
Auftreten:          während, kurz nach der Transfusion
Ätiologie:         Blutgruppenantikörper, insbesondere Anti-A, -B
Pathogenese:         Komplement-, Kinin-, Gerinnungs-, Plasminsystem, C-abhängige oder unabhängige Zytokinproduktion
Klinik:         Frösteln, Wärmegefühl, Kreuz-, Kopf, Brustschmerz, Atemnot, Brechreiz, Schock, Nierenversagen, Verbrauchskoagulopathie, cave! abgeschwächte Reaktion beim narkotisierten Patienten
Therapie:         Zugang belassen, Transfusion abbrechen, symptomatische Therapie, Flüssigkeitszufuhr, ggf. Schocktherapie, forcierte Diurese
Häufigkeit:         0,014% (Taswell et al. 1981), Mortalität 1:200.000 (Linden et al. 1992)
Prävention         Vermeiden von Verwechslungsmöglichkeiten durch bestmögliche Organisation und Identitätssicherung, korrekt durchgeführte ABO-Bedside-Tests, Eigenblut
 
Verzögerte Reaktion
Auftreten:         ein bis zwei Wochen nach Transfusion
Ätiologie:         Blutgruppenantikörper, z. B. Anti-K, -Jka, Jkb, -Rh, -Fya, -Fyb
Pathogenese:         wie Sofortreaktion
Diagnostik:         direkter Antihumanglobulin-Test, Antikörperdifferenzierung
Therapie:         selten erforderlich
Häufigkeit:         0,15% (Taswell et al. 1981)
 
Febrile, nicht hämolytische Reaktion
Symptome:         Temperaturanstieg > 1° C, ohne Zeichen der Hämolyse
Ätiologie:         Alloantikörper gegen transfundierte Leukozyten, Thrombozyten, Zytokinfreisetzung von Spenderleukozyten spontan oder durch Leukozytenantikörper des Empfängers
Pathogenese:         Pyrogene (TNFa, IL-1)
Klinik         Kältegefühl mit und ohne Schüttelfrost, Fieber cave DD Ausschluss hämolytischer Reaktion, DD bakterielle Kontamination der Blutkonserve
Diagnostik         ggf. Antikörpersuche
Therapie         Abbruch der Transfusion, Antipyretika
Häufigkeit         0,5-1 % bis 15 % bei vorangegangener Reaktion
 
Posttransfusionspurpura⁄-thrombozytopenie
Symptome:         Purpura, Blutung, Thrombozytopenie
Ätiologie:         Anti-HPA-Ia, selten andere thrombozytenspezifische Alloantikörper
Pathogenese:         Elimination autologer Thrombozyten durch Antikörper mit "Pseudospezifität" oder Adsorption von Immunkomplexen
Diagnostik         Nachweis thrombozytenspezifischer Allo-Antikörper, Anamnese (Schwangerschaften, Transfusion)
Therapie:         hochdosierte, i.v. Immunglobuline, meist innerhalb von 1-4 Wochen Normalisierung
Häufigkeit:         selten
Prävention         derzeit nicht möglich
 
Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)
Klinik:         Husten, Kurzatmigkeit, erhöhte Atemfrequenz, Fieber innerhalb von 6 Stunden nach Transfusion, respiratorische Insuffizienz, Lungenödem, typisch: keine Herzinsuffizienz, im Röntgenbild bilaterale Infiltrate
Äthilogie:         Allo-Antikörper gegen Granulozyten, meist vom Spender, selten Reaktion von Antikörpern des Empfängers mit tranfundierten Spendergranulozyten
Pathogenese:         Transmigration aktivierter Granulozyten in der Lunge, Kapillarschäden
Therapie         Abbruch der Transfusion, ggf. Beatmung, Katecholamine Nachweis von Granulozytenantikörpern beim Spender oder Empfänger
Häufigkeit:         bis zu 1 : 5.000 (Popovsky et al. 1985)
Prävention:         Verwendung leukozytendepletierter Blutprodukte - Ausschluss von Spendern mit bekannten Granulozytenantikörpern
 
Transfusionsinduzierte Graft-vs.-Host-Krankheit
Hierbei handelt es sich um ein seltenes, häufig sehr komplexes Krankheitsbild
Klinik:         Exanthem, Fieber, Diarrhoe, Hepatitis, sekundäre Infekte, Myelodepression, hohe Letalität
Ätiologie:         Reaktion transfundierter Lymphozyten mit Zellen des Empfängers vornehmlich bei immunsupprimierten Patienten
Pathogenese:         T-Zellzytotoxizität, massive Zytokinproduktion, -dysregulation, "Zytokinsturm"
Prävention:         Bestrahlung der Blutkomponenten (30 Gy)
 
Allergische Reaktionen
Hier sind aufgrund der Ätiologie und Symptomatik zwei Reaktionsformen zu differenzieren
1.         Anaphylaktoide Reaktionen
2.         Urtikarielle Reaktionen
ausgelöst durch Antikörper gegen lösliche Bestandteile im Plasma
 
Anaphylaktische Reaktion
Ätiologie:         Antikörper gegen IgA und andere Plasmaproteine, Medikamente
Klinik:         anaphylaktische Reaktion nach Transfusion weniger ml plasmahaltiger Blutkonserven (kein Fieber), Schock
Diagnose:         retrospektiv aus dem klinischen Verlauf , insbesondere bei Patienten mit IgA-Mangel
Therapie:         Abbruch der Transfusion, Schocktherapie
Häufigkeit:         äußerst selten
Prävention:         keine generelle Prophylaxe möglich, falls IgA-Mangel bekannt (z. B. Familienanamnese), autologe Transfusionen, falls möglich plasmahaltige Komponenten IgA-defizienter Spender
 
Urtikarielle Reaktion
klinik:         lokalisierte, selten generalisierte Urtikaria
Diagnose:         typische Effloreszenz, Reaktion ohne Fieber
Therapie:         Unterbrechung der Transfusion, Applikation von Antihistaminika
Häufigkeit:         1 - 3%
Prävention         Vorbehandlung mit Antihistaminika, ggf. gewaschene zelluläre Blutkomponenten
 
Bakterielle Kontamination
Klinik         Fieber, Krämpfe, Erbrechen, Diarrhoe, Schock, Hämoglobinurie, Nierenversagen, Verbrauchskoagulopathie,
Ätiologie:         aufgrund der unterschiedlichen Lagerungsbedingungen verschiedene Erreger, in Erythrozytenpräparaten Endotoxine gram-negativer Keime, z.B. Yersinia enterocolitica, E. coli, Pseudomonas, Citrobacter, in Thrombozytenpräparaten Toxine von Staph. Aureus und epidermidis, Serratia marcescens, Klebsiella pneumoniae
Therapie:         Abbruch der Transfusion, Antibiotika, Kortikosteroide, ggf. Schocktherapie
Diagnostik:         Blutkulturen von Patient und aus dem Restblut der Konserve
Häufigkeit:         Erythrozytenkonzentrate 1 : 65.000 (Theakson et al. 1997)
Thrombozytenkonzentrate 1 : 12.000 (Klein et al. 1997)
Prävention:         sterile Kautelen bei der Herstellung, vorschriftsmäßige Lagerung der Blutkonserven und der Vorbereitung zur Transfusion
 
Hypervolämie
Klinik:         Herz-Kreislauf-Insuffizienz, Kopfschmerz, Anstieg des zentralvenösen Drucks
Ätiologie:         Volumenüberlastung, rasche Infusion zu großer Volumina bei Kindern und älteren Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen
Therapie:         Abbruch der Transfusion, symptomatische Therapie (Diuretika, Sauerstoff)
Prävention:         langsame Transfusion
Häufigkeit:         relativ häufig
 
Embolie
?         Luftembolie; Zufuhr von Luft bei unsachgemäßem Anlegen oder Wechsel von Transfusionen kann letal (> 20 ml) sein
?         Embolie von Koageln etc. ist vermeidbar durch Transfusionsfilter
 
Physikalisch-chemisch bedingte Hämolysen
?         thermisch: Überwärmen auf > 37 Grad C, Gefrieren
?         mechanisch: z.B. Herz-Lungen-Maschine, Cell Saver
?         chemisch: Beimischung anderer Infusionen (z.B. hochkonzentrierte, nicht-isotonische Lösungen etc.), parallel nur 0,9 % NaCl erlaubt
 
Zitratintoxikation
Klinik         kardiovaskuläre Symptome, Arrhythmien, Blutdruckabfall
Ätiologie         Transfusion plasmahaltiger Blutkonserven, speziell bei Massivtransfusionen, Patienten mit Leberfunktionsstörungen
Therapie         Kalziumgabe
 
Hyperkaliämie
Vorkommen:         bei Massivtransfusionen, Austausch von > 40 % des Blutvolumens bei Frühgeborenen, bei anurischen Patienten
Ätiologie         vermehrte Kaliumzufuhr durch die Transfusion
Diagnostik:         Kaliumbestimmung
Therapie         angepasst an das klinische Bild kaliumsenkende Maßnahmen (Glukose-Insulin-Infusionen)
 
Hypothermie
Vorkommen:         bei Massivtransfusionen kalter Blutkonserven, Infusionslösungen
Prävention:         sachgemäßes Aufwärmen
 
Transfusionshämosiderose
Vorkommen:         Gefahr der Eisenakkumulation bei chronisch transfundierten Patienten ohne Blutungen, z.B. Thalassaemia major
Prävention:         möglichst kurz gelagerte Erythrozytenkonzentrate
Prävention:         möglichst kurz gelagerte Erythrozytenkonzentrate
Therapie:         Chelatbildner
 
Verwechslung von Blut und Blutproben
Häufigkeit:         unbekannt, 1 : 33.000, dabei Mortalität 1:200.000 (Linden et al. 1992)
Prävention:         bestmögliche Organisation
 
Infektionsübertragung durch Bluttransfusion
Generell können alle Infektionen, deren Erreger im Blut vorkommen mittels Blutübertragen werden
?         Viren
o         HIV (<1:1.000.000), HBV (<1:200.000), HCV (<1:200.000)
o         CMV
o         EBV, HAV, Parvovirus B 19, HHV 6, 7, 8
?         Bakterien
?         Protozoen
o         Malaria, Toxoplasmose, Filariosen
 
Unerwünschte Langzeit-Nebenwirkungem
Bei Gabe von Blutprodukten können auch Nebenwirkungen erst nach Ablauf eines derart großen Zeitraums eintreten, dass für die feststellende Person kein kausaler Zusammenhang mit der Transfusion mehr erkennbar wird. Dies gilt insbesondere für Komplikationen wie Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV. Auch bei Infektionen durch andere Viren, bei denen nach Übertragung durch Blutprodukte eine Erkrankung bisher nicht sicher festgestellt wurde (z. B. Parvovirus B19), sollte an einen kausalen Zusammenhang mit der Bluttransfusion gedacht werden. Grundsätzlich ist bei Personen mit Zustand nach Transfusion bei Auftreten von Symptomen jeglicher Art ein kausaler Zusammenhang mit der Transfusion, gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Dienstarzt der Blutbank, zu prüfen.
Falls ein kausaler Zusammenhang vermutet wird, sind diese Nebenwirkungen auch im alleinigen Verdachtsfall formlos dem Stufenplanbeauftragten via Blutbank oder direkt zu melden. Dieser wird auch in Betracht ziehen, ob durch die behandelnde ärztlicher Person ggf. ein Bericht über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (auch Verdachtsfälle) an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft abzugeben ist.
 
 
 
 
 
 
 
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